Thomas Manns große Liebe

Eine kuriose Geschichte: Im Sommer 1954 besucht der 79jährige Thomas Mann mit seiner Frau Katia die Rheinmetropole Düsseldorf, um aus dem „Felix Krull“ zu lesen, der sich zum Bestseller entwickelt. Im gleichen Hotel steigt auch Klaus Heuser ab, eine der großen Lieben im Leben von Thomas Mann. Kennengelernt hatten sich der Autor der „Buddenbrooks“ und der hübsche junge Mann 27 Jahre früher, im Jahr 1927. Klaus wurde zu einem Modell für den Joseph der „Josephsromane“.  Katia und Erika Mann, seine älteste Tochter, wollen ein Wiedersehen zwischen dem Autor und seinem Idol mit allen Mitteln verhindern. Die große Frage, die sich der Leser stellt, ist natürlich: Begegnen sich die beiden im Laufe des Romans?

 Der Roman ist kunstvoll gebaut, die Erzählkunst Thomas Manns erreicht Pleschinski natürlich nicht. Aber er gibt sich Mühe. Schauplatz des Romans ist der mondäne Breidenbacher Hof, ein gewaltiges Hotel in Düsseldorfs Innenstadt, hier kommt Thomas Mann an. Wir erleben einen nervösen Nobelpreisträger, der sich bei öffentlichen Auftritten hinter einer geschraubten, gestelzten Sprache verschanzt. Geschraubt ist oft auch die Sprache des Romans. Manche Szenen und Formulierungen des Romans sind etwas gewollt: „Lind umschmeichelte ein Wind die Platanen. Leichtes Wellengekräusel des Teichs verlor sich im Ufergrün.“

Wer Freude an solcher ambitiösen Sprachkunst hat, der wird diesen Roman mit Gewinn lesen. Kenntnisse zu Thomas Mann schaden nichts, denn der Roman ist voller Anspielungen auf Thomas Manns Leben und Werk. Gegen Ende des Romans sagt Thomas Mann: „War nicht das ganze Leben peinlich? Es gab wohl selten ein solch Ineinander von Qual und Glanz.“ Das ist eine Passage aus den späten Tagebüchern (20.9. 1953). Nicht nur hier wird Mann als Mensch sichtbar.

Am Ende, großes Finale, begegnen sich der Nobelpreisträger aus Lübeck und der hübsche junge Mann aus Düsseldorf. Thomas Mann verspürt einen Anflug von Glück: „Es war da, auch ich hatte es, ich werde es mir sagen können, wenn ich sterbe.“ Diese Begegnung hat übrigens niemals stattgefunden, der Autor Pleschinski hat sie sich erdacht. Ein Romancier darf so etwas. 1954 hielt sich Klaus Heuser nicht in Düsseldorf auf.

Hans Pleschinski: Königsallee. Roman. Dtv 2015 

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