Es ist ein dünnes Buch, genau 105 Seiten dick, aber in inhaltlicher Hinsicht ist es alles andere als dünn. Das Buch setzt 1972 ein und beleuchtet Austers Leben und Schreiben. Wer noch nie etwas von Paul Auster gelesen hat, sollte zu diesem Bändchen greifen, denn hier findet sich der ganze Auster konzentriert und in gut lesbarer Form. Man hat das Buch an einem Abend gelesen.
„Dies ist eine wahre Geschichte“, heißt es schon auf der ersten Seite. Obwohl es wahre Geschichten sind, sind sie oft wunderbar. Eine Geschichte umfasst keine zwei Seiten. Ein Freund von Paul Auster sucht überall nach einem ausgefallenen Buch. Er sucht in Buchhandlungen, Magazinen und Antiquariaten. Ohne Erfolg.
An der Grand Central Station begegnet er einer Frau, die genau das gesuchte Buch liest. „Ob Sie´s glauben oder nicht, nach diesem Buch habe ich überall gesucht“, sagt der Freund.
„Es ist wunderbar, ich bin gerade damit fertig geworden“, sagt die Frau.
Ob sie wisse, wo man es kaufen kann, ihm läge sehr viel daran.
„Nehmen Sie mein´s!“
“Aber das gehört Ihnen.“
„Es hat mir gehört“, sagt die Frau, „aber ich bin damit fertig. Ich bin heute hierher gekommen, um es Ihnen zu schenken.“
Austers Thema ist das Wunderbare im Alltäglichen. Der Zufall spielt dabei eine große Rolle.
Austers frühe Jahre sind durch Armut und Entbehrungen geprägt. Von seinem Schreiben kann er nicht leben. So übernimmt er den Verwalterposten eines Bauernhauses in Südfrankreich. Ohne diese Tätigkeit hätten er und seine erste Frau in die USA zurückkehren müssen. „Es sollte ein sonderbares Jahr werden.“ Sie haben nicht genug zu essen. Aus den Resten des Kühlschranks kreieren sie einen Zwiebelkuchen, der ihnen allerdings verbrennt. In dieser hoffnungslosen Situation taucht ein hilfreicher Zeitgenosse auf. „Es war ein Wunder. Es war ein echtes Wunder.“ Der Ankömmling lädt sie in ein Zweisternerestaurant ein. Sie essen gut, leeren mehrere Flaschen Wein und amüsieren sich prächtig.
Das schmale Büchlein erzählt auch von Austers erstem Roman „Mein erster Roman wurde von einer falschen Nummer inspiriert.“ In einer anderen Geschichte erzählt Auster, wie er Schriftsteller wurde. Als Teenager gab es für ihn nur eines: Baseball. Als er einem Baseballstar gegenübersteht, bittet er um ein Autogramm. Aber niemand hat einen Stift zur Hand. Von nun an verlässt Auster das Haus nicht mehr ohne Kugelschreiber. So, erzählt er seinen Kindern, wurde er zum Schriftsteller. Austers zwanzig wahre Geschichten ergeben ein bezauberndes Buch.
Paul Auster: Das rote Notizbuch. Rowohlt Taschenbuch Verlag, 2019.