Avi Primors bewegtes Leben

Avi Primor, der charismatische israelische Diplomat, ist ein Brückenbauer: Er engagierte sich für die Aussöhnung zwischen Deutschland und Israel, heute setzt er sich für die Verständigung zwischen Israelis und Palästinensern ein. Kritische Worte richtet er nicht zuletzt an die israelische Regierung, Missstände im Umgang mit den Nachbarn spricht er offen an, dafür wurde er ausgezeichnet – und angefeindet. Vor einigen Jahren ist die Autobiographie des 80jährigen erschienen, die ein bewegtes Leben nachzeichnet. Primors diplomatische Karriere begann in Afrika, das er lieben lernte. Mit den Deutschen wollte er lange nichts zu tun haben. Sie stellten sich, so sein Eindruck, ihrer Vergangenheit nicht. Heute lobt er die Erinnerungskultur der Deutschen. Der erste Deutsche, den er kennen lernte, war Claus von Amsberg, der spätere Mann der niederländischen Königin Beatrix. Primor und Amsberg wurden Freunde.

1993 wird Primor israelischer Botschafter in Bonn. Trotz seines großen Interesses an Deutschland hat er bis dahin noch nicht deutschen Boden betreten. In Mannheim stürzt er sich einen Monat lang in einen Kurs für deutsche Sprache, um sich auf seine Tätigkeit in Bonn vorzubereiten, und beschäftigt sich intensiv mit deutscher Geschichte und Kultur. Er will nicht nur Kontakt zu seinen Kollegen haben, sondern auch zu den Menschen des Landes, in dem er Botschafter ist.

„Meine Bonner Zeit war für mich eine ununterbrochene Entdeckung Deutschlands. Ich wollte nicht nur das Land besichtigen, ich wollte Menschen treffen. Um ein Land richtig zu kennen, ist es unabdingbar, mit den Menschen in Kontakt zu sein.“ Bis zu seinem Abschied von Deutschland 1999 mischte er sich in die Politik ein. Im Ruhestand erfüllte er sich einen lang gehegten Traum: Er initiierte einen Studiengang für zukünftige Diplomaten aus Israel, Palästina und Jordanien, der sie auf Europa vorbereitet.

Primor ist ein kluger einfühlsamer Kopf. Gewitztheit ist ihm nicht fremd. Seine Sprache ist klar und unaufgeregt, er schreibt anschaulich und informativ. Man erfährt viel über die Geschichte Israels und den Nahostkonflikt. Ein reichhaltiges und wichtiges Buch.

Avi Primor: Nichts ist jemals vollendet. Die Autobiographie. Quadriga, 2015

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