Am Anfang dieses Romans steht das Porträt eines Vaters, eines schwierigen, jüdisch-amerikanischen Vaters, der sich um seinen begabten Sohn sorgt, der hochfliegende Pläne verfolgt. Dieser Vater ist eine schillernde Figur. Er will die Arroganz des Sprösslings dämpfen, ist aber selbst arrogant, ein kleiner Tyrann. Er leitet ein Schuhgeschäft und wird von seinen Mitarbeitern gefürchtet.
Philip Roth hat oft große Vaterfiguren geschildert. Ein Buch trägt den Titel: „Mein Leben als Sohn“. Er war ein raffinierter und reflektierter Erzähler, der verspielte und verspiegelte Romane entwarf. Er wurde 85 Jahre alt (Jahrgang 1933). In seinen Romanen hat Roth schonungslos von sich erzählt, von Triumphen und Niederlagen, Höhenflügen und Tiefschlägen. „Mein Leben als Mann“ ist eines seiner eindrucksvollsten und komplexesten Werke. Zwei Fragen vor allem geht er nach: Was macht das Leben mit dem Schriftsteller? Und was macht der Schriftsteller mit dem Leben?
„Mein Leben als Mann“ handelt von Nathan Zuckermans Martyrium. Alles dreht sich um eine Alptraum-Ehe: darum, was diese Ehe aus einem vielversprechenden Schriftsteller macht. Sie verstört ihn zutiefst.
Zunächst sieht es gar nicht nach einem Desaster aus. Zuckerman wächst behütet auf, als Sprößling einer jüdischen Mittelstandfamilie an der Ostküste der USA. Sein Leben ist eine Illustration des Themas Erfolg. Er begreift nicht, dass es Menschen gibt, die keinen Erfolg haben, Erfolg zu haben, ist doch so einfach. Früh sieht alles nach einer glanzvollen literarischen Karriere aus. Zuckerman stürmt durchs Universitätsstudium, ist ein Überflieger der Literaturseminare, arbeitet diszipliniert an seinen Kurzgeschichten und leitet Kurse in kreativem Schreiben. Seine Botschaft an die Kursteilnehmer: „Sie können nicht einfach Phantasien produzieren und das dann ,Literatur´ nennen. Gehen Sie in Ihren Geschichten von dem aus, was Sie kennen.“ Das gilt natürlich auch für den Schriftsteller Philip Roth. Er geht von den eigenen Erfahrungen aus. Auch er ist eine fatale Ehe eingegangen. Immer wieder stellt sich der Leser die Frage: Was ist an diesen Geschichten erfunden? Was ist wirklich passiert?
Wie so viele Helden Philip Roths ist auch dieser Nathan Zuckerman ein kultivierter, idealistischer Intellektueller und gleichzeitig ein Opfer seiner Triebe. Beides wird ihm zum Verhängnis.
Nach 120 Seiten erfährt man: Dieser Nathan Zuckerman ist eine Erfindung. Zuckerman ist das andere Ich des Schriftstellers Peter Tarnopol. Auch Tarnopol führte eine Ehe, die eine Hölle war. Er verliebte sich in eine vom Leben gezeichnete Frau und heiratete sie aus Mitleid. Aus der Ehe wurde ein Alptraum, bald ist der erfolgsverwöhnte Peter Tarnopol am Ende. Er bringt nur noch Kurzgeschichten zustande, und sie haben nur noch ein Thema: sie umkreisen seine Leidensgeschichte. Sie gehen der Frage nach, wie Nathan Zuckerman bzw. Peter Tarnopol nur in diese Ehe hineinschlittern konnte. Eine Erklärung haben sie dafür nicht. Peter Tarnopol und Philip Roth machen das Beste daraus: einen großen Roman.
Im Mai vor fünf Jahren verstarb Philip Roth in Manhattan. Im März diesen Jahres wäre der große amerikanische Autor neunzig Jahre alt geworden.
Philip Roth: Mein Leben als Mann. Rowohlt Taschenbuch Verlag, 2008.